Unter den zahlreichen Fachwerkhäusern von Wernigerode gibt es direkt am Marktplatz, aber ziemlich versteckt, die sogenannte „Kemenate“.
Der rückwärtige Gebäudeflügel des Grundstückes Marktstraße 3 in Wernigerode erlebte in den Jahrhunderten nach 1650 bis 1986 eine völlige Zweckentfremdung als billiges Nebengelass und Lager, so dass sein ursprünglicher intellektueller Anspruch nahezu in Vergessenheit geriet. Erst im Verlauf der Instandsetzung durch die Arbeitsgruppe Kemenate der Wernigeröder Interessengemeinschaft Denkmalpflege ab 11. Dezember 1986 wurden außergewöhnliche Befunde sichtbar, die eine Reihe von Fragen aufwarfen.
Bislang war dieser Fachwerkbau lediglich auf Grund seiner geschnitzten Fächerrosetten im „niedersächsischen Stil“ zur Kenntnis genommen worden. So auch in den Bau- und Kunstdenkmalen der Provinz Sachsen, Band VII von G. Sommer und E. Jacobs aus dem Jahr 1883 auf den Seiten 139/141 oder noch in dem Bildband „Fachwerk in Wernigerode“ aus dem Jahr 1963 von Rolf Langematz. Weitere Beschreibungen haben dann lediglich den teils schwierigen Weg der Instandsetzung oder konzeptionelle Vorstellungen zum Inhalt.
Die Beschreibungen des Fachwerkes reihen sich in die üblichen Auffassungen zum Niedersächsischen Fachwerkstil ein und reichen über die Würdigung als ornamentaler Schmuck unter Verwendung von „magischen“ Zeichen zumeist nicht hinaus. Konzeptionelle Ideen und Auffassungen der Erbauer bei der Gestaltungsumsetzung sind nicht in Erwägung gezogen worden. Gerade dieser Umstand verdient aber bei der Kategorie aufwändig gestalteter Hofflügel besondere Beachtung.
Heutzutage werden jedoch sichtbare Fassaden am Renaissancefachwerk allgemein als besonders schön und im Falle von Wernigerode dann auch noch als besonders schön bunt gepriesen. Der historisch reale Kontext war natürlich erheblich anspruchsvoller.
Die Kemenate steht hier als exklusives aber trotzdem intimes Wohngebäude selbst in Wernigerode nicht isoliert da. Der nördliche Hofflügel des Gotischen Hauses gehört ebenso wie die Steinkemenate Breite Straße 6 in diese Kategorie. Ein weiteres Beispiel befindet sich in Quedlinburg Breite Straße 32, ebenfalls in Fachwerk von 1562.
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Begrifflichkeit
Baubeschreibung
Christliches Konzept in der Epoche der Reformation
• Fachwerk
• Symbolik der Schnitzerei
• Malerei im Inneren
Die Erbauer und Reformatoren – spiritus rector
Vergleichsbeispiele
Fazit
Impressum