Die Nennung einer Siedlung ,,Halla‘ im Zusammenhang mit der Errichtung eines fränkischen Kastells rechts der Saale im Jahr 806 und die vier im Bereich des HalImarktes gelegenen mittelalterlichen Solebrunnen haben seit dem 16. Jh. immer wieder Anlaß gegeben, die Entwicklung der Stadt Halle zu erforschen. Das Interesse der Forschung richtete sich in erster Linie auf die Frage nach der Lage des karolingischen Kastells im Innenstadtgebiet Halles. Zur Klärung historischer Fragestellungen standen zunächst nur einige früh- und hochmittelalterliche Schriftquellen zur Verfügung. Erst die Ergebnisse der seit den 60er Jahren des 20. Jh. zahlreich in der Innenstadt Halles durchgeführten archäologischen Grabungen haben eine neue Grundlage geschaffen, die es erlaubt, den Versuch einer umfassenden Rekonstruktion der Entwicklungsgeschichte der Stadt und ihres Umlandes in früh- und hochmittelalterlicher Zeit erneut zu wagen. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die erste grundlegende Zusammenfassung der Ergebnisse der bis 1997 durchgeführten Forschungen zur Archäologie des Mittelalters in der Stadt Halle (Saale). Durch sie wird eine empfindliche Lücke der historisch-archäologischen Forschung in der Region geschlossen. Zunächst wird der Stand der bisherigen Forschungsarbeiten zur Entwicklung Halles in früh- und hochmittelalterlicher Zeit dargestellt. Dabei werden in erster Linie die Ergebnisse der zahlreichen archäologischen Untersuchungen im Innenstadtgebiet und die früh- und hochmittelalterlichen Bodenfunde aus dem Stadtgebiet vorgestellt und auf ihren historischen Aussagewert hin überprüft. Unter Berücksichtigung und Bewertung der aus dem frühen und hohen Mittelalter erhaltenen Schriftquellen, der überlieferten Orts- und Flurnamen und der Untersuchungen zur ehemaligen Geländetopograhie Halles und seines Umlandes wird dann versucht, die früh- und hochmittelalterliche Siedlungsentwicklung im Raum Halle zu rekonstruieren. Die Eckpunkte einer zeitlichen Eingrenzung des zu behandelnden Themas stellen die erste Nennung einer Siedlung ,,Halla‘ im Jahr 806 und die Wirkungszeit Wiprechts von Groitzsch zwischen 1118 und 1124 als Magdeburger Burggraf und Vogt der Erzbischöfe von Magdeburg in der Stadt dar. Mit Wiprecht wird von historischer Seite der Beginn der Herausbildung der hochmittelalterlichen Rechtsstadt Halle verbunden.
Drei Fragenkomplexe sollen im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen:
– Wo liegen die ältesten mittelalterlichen Siedlungen im heutigen Stadtkreis Halle, und wie lassen sie sich datieren? Welches Aussehen und welche wirtschaftliche, militärische und politische Bedeutung besaßen sie? Welche Beziehungen sind zwischen den Siedlungen zu erkennen? Welche Bedeutung besitzen die Solequellen im Stadtkreis Halle für die frühmittelalterliche Siedlungsentwicklung?
– Wo liegen die Siedlungen der ottonischen und salischen Zeit im heutigen Stadtkreis Halle? Welches Aussehen und welche Bedeutung besaßen sie, und in welchem Verhältnis standen sie zueinander? Ist ein Landesausbau in ottonisch/salischer Zeit nachzuweisen? Lassen sich verschiedene Bevölkerungsgruppen (Slawen, Deutsche, Juden) in dieser Zeit in Halle nachweisen, und welche Rollen nehmen sie bei der Siedlungsentwicklung ein?
– Wie läßt sich der Weg Halles zur hochmittelalterlichen Rechtsstadt des 12. Jh. rekonstruieren? Welche Wurzeln und welches Aussehen besitzt die Stadt in dieser Zeit? Welche verschiedenen Bevölkerungs- und Berufsgruppen (Slawen, Deutsche, Juden, Handwerker, Kaufleute etc.) lassen sich in der Stadt voneinander abgrenzen, und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Welche Auswirkungen bringt die Entstehung der hochmittelalterlichen Stadt für das Siedlungsgefüge des Umlandes mit sich? Welche Bedeutung besitzt die Salzgewinnung für die Entwicklung der hochmittelalterlichen Stadt?
Bei der Behandlung der aufgestellten Fragenkomplexe muß stets berücksichtigt werden, daß durch die Auswertung historischer Quellen, seien es Schriftquellen oder Bodenfunde, nur eine Annäherung an die ehemalige Realität erreicht werden kann, die stets unter dem Aspekt der gegenwärtigen Realität des Interpretierenden steht.
(Auszug aus Einleitung)
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Einführung und Fragestellungen
Abgrenzung und naturräumliche Gliederung des Arbeitsgebiets
Grundlagen und Vorgehensweise bei der Bearbeitung der Fragestellungen
Forschungsgeschichte
• Historische Forschungen auf der Grundlage der zeitgenössischen Schriftquellen
• Siedlungsgeographische und onomastische Forschungen
• Archäologische Forschungen
Naturräumliche und verkehrsgeographische Voraussetzungen für die mittelalterliche Siedlungsentwicklung im Untersuchungsraum
• Geologischer Schichtenaufbau und seine Bedeutung für die Salzgewinnung
• Topographie und Landschaftsbild im Mittelalter
• Mittelalterliches Gewässer- und Straßennetz
Vor- und frühgeschichtliche Besiedlung des Untersuchungsraumes
Die früh- und hochmittelalterliche Geschichte des mittleren Saalegebietes und der Stadt Halle anhand der schriftlichen Überlieferung
• Die Region in merowingischer und karolingischer Zeit
• Die Region in ottonischer und salischer Zeit
• Früh- und hocbmittelalterliche Schriftquellen zum Untersuchungsraum
Die früh- und hochmittelalterliche Keramik in Halle als Datierungsgrundlage
• Stand und Ergebnisse der Erforschung der früh- und hochmittelalterlichen Keramik in Mitteldeutschland
• Vorgehensweise bei der Gliederung der Keramik von Halle
• Gefäßformen
• Bodenformen
• Angarnierungen und Durchbohrungen der Gefäßwandung
• Randformen
• Verzierungsformen
• Stich-, Kerben- und Stempelverzierungen
• Strichverzierungen
• Randverzierungen
• Zusammenfassung
• Warenarten
• Keramikgruppen
Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im Innenstadtgebiet von Halle
• Die Grabung am Trödel
• Bereich des Alten Marktes und des südlichen Talgebiets zwischen Brunos Warte und dem Marktplatz
• Hochmittelalterliche Stadterweiterungen im östlichen Altstadtbereich
• Vorstadtbereiche des östlichen und westlichen Weichbildes
• Marktplatz und Marienkirche
• Gebiet des nördlichen Tales zwischen Hallmarkt und Großer Klausstraße
• Gebiet zwischen Großer Klaus- und Großer Nikolaistraße
• Domhügel zwischen Großer Klausstraße und Mühlgasse
• Gebiet zwischen Mühlgasse und Mühlberg
• Schloßberg zwischen Mühlberg und Bergstraße
• Schloßberg zwischen Moritzburg und Kleiner Ulrichstraße
• Neumarktviertel und ehemaliger Stiftsbereich Neuwerk
Ergebnisse der historischen, siedlungsgeographischen, onomastischen und archäologischen Untersuchungen im Stadtgebiet Halle
• Südliches ostsaalisches Gebiet
• Westsaalisches Gebiet
• Nördliches ostsaalisches Gebiet
Befestigungen und Herrenhöfe
• Das fränkische Kastell von 806
• Hochmittelalterliche Stadtbefestigungen
• Befestigte hochmittelalterliche Herrenhöfe im Innenstadtgebiet
• Burgen und Befestigungen im Stadtkreis
Kirchenwesen
Hausbau
Handwerk
Handel und Marktverkehr
Der früh- und hochmittelalterliche Landesausbau und seine Träger
Rekonstruktion der Besiedlungsentwicklung in Halle bis zur Herausbildung der hochmittelalterlichen Stadt Halle unter besonderer Berücksichtigung der Besiedlungsgeschichte Giebichensteins
• Burg, Markt, Frühstadt und Stadt
• Regionale und überregionale Einordnung der Stadtentwicklung Halles
Schlußgedanke: Fazit und Ausblick
Anmerkungen
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Fotonachweis
Katalog-Teil
Vorbemerkung
• Auflösung des im Katalog verwendeten Zahlenschlüssels zur Beschreibung der früh- und hochmittelalterlichen Keramik aus dem Untersuchungsraum
Katalog zu den Befunden und Fundgegenständen des Innenstadtgebietes von Halle
Katalog zu den Befunden und Fundgegenständen außerhalb des Innenstadtgebietes der Stadt Halle
Anhang <