Menhire gehören zu den eindrucksvollsten, rätselhaftesten, vor allem aber zu den bekanntesten vorgeschichtlichen Denkmalen Europas. Mehr noch als die einzeln stehenden, oft landschaftsbestimmenden Menhire sind die Steinreihen und insbesondere die Steinkreise. wie etwa Stonehenge, im kollektiven Kenntnisschatz der Menschheit verankert. Gerade ihre Größe, die oft markanten Standorte, aber auch ihr hohes Alter und ihre unklare ehemalige Bestimmung machen sie seit Jahrhunderten zu einer Projektionsfläche menschlicher Vorstellungswelten und bisweilen skurriler Umdeutungen. Der heutige weitgereiste Bildungsbürger wird Menhire in der Regel mit der Bretagne, Großbritannien oder Irland in Verbindung bringen. Die zahlreichen Neuentdeckungen in Spanien, Portugal oder gar Sardinien sind weit weniger im Blick. Überraschen dürften aber Zahl und Qualität der Menhire in Deutschland, da diese bei uns bisher wenig erschlossen, populär oder gar von touristischem Nutzwert sind. Immer noch werden sie, obwohl beredte Zeugnisse längst vergessener Menschen, willkürlich versetzt oder gar beseitigt. Dabei geht trotz der Dauerhaftigkeit ihrer Ausführung der Verlust in die Tausende, so dass es die letzten Zeugnisse besonders zu bewahren gilt. Menhire sind anders als die restlichen Monumente der Megalithik, etwa die Großsteingräber, nicht nur küstennah, sondern bis weit in das Inland verbreitet. Dies zeigt sich besonders schön an den hier vorgelegten Beispielen aus Deutschland. Anders als die megalithischen Begleiterscheinungen sind sie über einen wesentlich größeren Zeitraum zumindest vom 5. bis in das 2. Jahrtausend v. Chr, zu datieren. Obwohl ihr ursprünglicher Sinn zahlreichen Interpretationen unterliegt, lässt sich zumindest festhalten, dass trotz reduzierter anthropomorpher Details auch die Säulen- und nicht nur die Plattenmenhire als Verkörperung menschlicher Gestalten – ob Götter, Ahnen oder Heroen – gesehen wurden. Es ist dem ausgezeichneten Fotografen Johannes Groht zu verdanken, dass ein umfassendes Kompendium zu Menhiren in Deutschland überhaupt möglich wurde. In entsagungsvoller Vorarbeit hat er alle bekannten Menhire Deutschlands aufgesucht, um sie fotografisch zu erfassen. Wer einmal selbst durch einen verregneten deutschen Fichtenwald auf der Suche nach vorgeschichtlichen Denkmalen gelaufen ist, weiß, dass es damit noch nicht getan war. Die Aufnahmen von Johannes Groht beeindrucken durch ihre sachliche Authentizität. Man hat den Eindruck, nicht einmal ein scheinbar störender morscher Ast wurde beiseite genommen, um den jetzigen Zustand unverfälscht zu dokumentieren. Darüber hinaus ergeben sich jedoch durch prägnante landschaftliche Lage und die Kunst des Fotografen immer wieder atemberaubende Stimmungen, die von der Schönheit unserer Landschaft, die durch die Intervention und Irritation des Menhirs oft noch gesteigert wird, zeugen. Zahlreiche Aufnahmen von Johannes Groht zeigen in ihrer Verbindung der Menhire mit der Moderne – wenn etwa wie im saarländischen Rentrisch ein Menhir unter einer Hochbrücke steht – die Entwicklung der Vorstellung von Monumentalität, aber auch die Landschaftsentwicklung selbst. War einst ein einzelner Menhir auf einer Geländekuppe ein weithin sichtbares Zeichen menschlichen Kulturwirkens, so waren dies später die in den Himmel ragenden Türme der mittelalterlichen Kathedralen und im flachen Land zumindest die Türme der Dorfkirchen. Heute werden diese wiederum von Strommasten und Windrädern als prägenden Landschaftselementen überragt. Dabei darf in der naturromantischen Vorstellung nicht übersehen werden, dass ein Menhir, der Turm einer Kathedrale, aber auch das von jeglichem spirituellen Hintergrund freie Windrad nur dieselbe Seite einer Medaille sind. Die Errichtung von Menhiren ergab erst einen Sinn, nachdem es der neolithischen Landwirtschaft Mitteleuropas seit dem späten 6. bis 4. Jahrtausend v. Chr, gelungen war, durch Rodung größerer Flächen weitere Horizonte zu erschließen. Insbesondere seit der Entdeckung der Zugkraft des Rindes, der Erfindung des Wagens und des Pfluges ab der Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr, war es möglich, weite Teile der Landschaft in Kultursteppen zu transformieren.
(Auszug Vorwort)
Inhaltsverzeichnis:
H. Meller
• Vorwort
J. Groth
• In situ – Menhire in Deutschland
Geistiger Hintergrund
B. Zisch
• Megalithik oder. Von der Sitte, Großsteingräber und Menhire zu errichten
R. Schwarz
• Zur Bedeutung der mitteldeutschen Menhire
B. Zisch & R. Schwarz
• Bild- und Zeichensprache der Menhire
Photographien / Katalog
• Verbreitungskarte
• Systematik des Katalogs
• Baden-Württemberg
• Bayern
• Hessen
• Mecklenburg-Vorpommern
• Niedersachsen/Bremen
• Nordrhein-Westfalen
• Rheinland-Pfalz
• Saarland
• Sachsen
• Sachsen-Anhalt
• Schleswig-Holstein
• Thüringen
Anhang
• Bibliographie
• Register
• Bildnachweis / Impressum