In allen Teilen des historischen westslawischen Gebietes wurden im frühen und hohen Mittelalter Befestigungen errichtet – stets Burgwälle aus Holz und Erde, verschieden in Größe, Gestalt und Geländedisposition. Da viele davon als eindrucksvolle Wallanlagen bis heute erhalten sind, bilden sie ein wichtiges Element der Kulturlandschaft und stehen deshalb auch seit den Anfängen der archäologischen Forschung im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Tatsächlich waren sie Brennpunkte der früh- und hochmittelalterlichen Geschichte des ganzen westslawischen Raums – sie dienten als Instrumente und Symbole von Herrschaft, als Stützpunkte kriegerisch durchgesetzter Macht und als Residenzen der Eliten. Sie standen im Fokus gewaltsam ausgetragener Konflikte, aber auch des Kommunikationsnetzwerkes und Siedlungsbildes, konnten sich religiös, administrativ oder wirtschaftlich hervorheben und auch Ausgangspunkt frühurbaner Entwicklungen werden. Die Burgen nahmen somit in aller Regel zentrale Funktionen für ihre Gesellschaften ein, wenn auch in ganz unterschiedlichem Ausmaß und auf verschiedenen Ebenen. Daher sind sie wichtige Ansatzpunkte zur archäologisch-kulturhistorischen Erforschung der Frühgeschichte und des Mittelalters im wests la wischen Raum. Die Anregung der Veranstalter der 23. Jahrestagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e. V. (MOVA) in Halle (Saale), den Problemkreis der ‚Befestigungen‘ als Sektionsthema in den Mittelpunkt zu stellen, haben wir daher gern aufgenommen. Die Beiträge der im Rahmen dieser Tagung durchgeführten Sektion für slawische Frühgeschichte, die vom 19.-21. März 2018 tagte, vereint dieser Band. Wie stets enthält er einerseits einen großen Teil der in Halle präsentierten Vorträge zum Schwerpunktthema, andererseits aber auch thematisch passende Studien, die bei der Konferenz aus verschiedenen Gründen nicht vorgestellt werden konnten. Seit der ersten Sektion zur slawischen Frühgeschichte in Frankfurt (Oder) im Jahre 2005 ist es außerdem Tradition, das Schwerpunktthema nicht als verpflichtend zu betrachten, sondern bei den Tagungen und den entsprechenden Buchveröffentlichungen auch Raum zur Bekanntgabe passender aktueller Forschungen zu geben. Die 24 Aufsätze in diesem Band konzentrieren sich mithin auf das Befestigungswesen im nördlichen westslawischen Raum, greifen räumlich aber auch in die Nachbargebiete aus, behandeln verschiedene Aspekte der slawischen Frühgeschichte und wenden dazu archäologische, historische, naturwissenschaftliche und onomastische Methoden an. So gibt das vorliegende Buch wieder einen vielfältigen Einblick in ein lebhaftes Forschungsgeschehen.
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Beiträge zum Schwerpunktthema
Achim Leube
• Der Beginn der Burgwallforschung in Mecklenburg und Vorpommern nach 1945 – die Grabungen auf der slawischen Befestigung von Teterow
Felix Biermann
• Wollin – Bilder und Dokumente der Vorkriegsgrabungen in der Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer der Universität Greifswald
Fred Ruchhöft
• 180 Burgen in Mecklenburg-Vorpommern – die unterschätzte Masse
Fred Ruchhöft
• Der Wall der Burg Arkona
Daniel Dvo?á?ek
• Neue Erkenntnisse zum mittleren Wall von Alt Kou?im (Mittelböhmen)
Kate?ina Tomková, Michaela Mácalová, David Dan??ek, Petr Nový, Petr Ko?ár, Romana Ko?árová, Sylva Drtikolová Kaupová and Jan Zav?el
• Levý Hradec – new excavations, analyses and questions
So?a Hendrychová und Jan Frolík
• Kirche und Friedhof in Žabonosy (Bez. Kolín) – zu den Anfängen feudaler Landsitze in Mittelböhmen
Bart?omiej Gruszka, Andreas KieseIer und ?ukasz Pospieszny
• Neue Erkenntnisse zum mittelslawischen Burgwall von Kleinitz (Klenica) im Lichte geomagnetischer Prospektionen
Heike Kennecke
• Die havelländischen Burganlagen von Wustermark und Buchow-Karpzow im Kontext regionaler und überregionaler Wegeverbindungen
Anja Grothe, Thomas Kersting und Susanne Storch
• Slawische Hügel- und Reihengräber bei einem Burgwall mit Fernbeziehungen – Gehren/Riedebeck in der Niederlausitz
Uwe Michas
• Vom Burgwall zum Zentralort – Spandau vom 9. bis 12. Jahrhundert
Peter Sachenbacher
• Burg, Herrschaft und Wirtschaft bei den Slawen in Thüringen
Ines Spazier
• Frühmittelalterliche Befestigungen an der mittleren Saale zwischen Saalfeld und Dornburg
Walter Wenzel
• Taucha – Mittelpunkt einer slawischen Siedlungskammer und deutscher Burgwardhauptort aus namenkundlicher Sicht
Walter Wenzel
• Der Orts- und Burgwardname Titibuzin und seine Lokalisierung
Günther Bock
• Das frühe Ham(ma)burg – Überlegungen zu einer archäologisch-historischen Synthese
Allgemeine Beiträge
Volker Schimpff
• Sorabi als Politonym – wer waren die „Sorben“ der frühmittelalterlichen Schriftquellen?
Drahomíra Frolíková and Sylva Drtikolová Kaupová
• The intrapopulation variability of diet of the population group buried at the Triangl cemetery in Prague-St?ešovice
Eric Müller
• Oefuncti vivi (lebendige Tote) – Sonderbestattungen und Spuren magischreligiöser Praktiken auf slawischen Gräberfeldern des Mittelelbe-Saale-Gebietes
Christoph Lobinger
• Awarisch oder byzantinisch? Bemerkungen zu einigen Funden aus Weseram im Havelland
Alexander Arndt, Lutz Jansen und Thomas Kersting
• Slawische Besiedlung bei Biesenbrow in der Uckermark
Normen Posselt
• Nordische „Geschwister“ – zwei wikingerzeitliche Schwertortbandfragmente aus Ganschendorf, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, und Polchow, Lkr. Vorpommern-Rügen
Felix Biermann, Andreas Kieseler, Ernst Pernicka und Jasper von Richthofen
• Hacksilberschätze im Oder-Neiße-Gebiet aus archäologischer und archäometrischer Perspektive – das Beispiel Mahnau (Maniów) in Niederschlesien
Roger Blum
• Unterwasserarchäologische Forschungen zur Slawenzeit in der Deutschen Demokratischen Republik – ein Rückblick auf die 1950er und 1960er Jahre