Ausgrabungen in Wittenberg förderten Relikte einer »Alchemistenwerkstatt« zutage. Die einzigartigen Funde konfrontieren Archäologen und Restauratoren mit einer Fülle komplexer historischer Fragestellungen. Hier steht nicht zuletzt das Glas im Fokus: im Kontext von Glasproduktion, Kulturaustausch und Handel sowie der Entwicklung von Glasformen und Trinksitten. Die vielfältigen Materialien eröffnen faszinierende Einblicke in Alltagsleben, Medizin, Naturwissenschaften und Technik der frühen Neuzeit. Glasmacher standen als kunstreiche Unternehmer und Erfinder an der Wiege der Chemie. Die schillernde Welt der Alchemie und Destillationskunst zog Wissensdurstige, Fürsten und Scharlatane gleichermaßen in ihren Bann. Die neue Weltsicht stand im Spannungsfeld von Antikenrezeption, Philosophie, Christentum, Magie und Handwerk. Das Wittenberger Labor experimentierte auf hohem Niveau. Wenn schon kein Allheilmittel, so wollte man doch neuartige künstlich hergestellte Medizin zum Wohl der Menschen entwickeln.
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort des Herausgebers
Holger Rode:
Die »Alchemistengrube« im Franziskanerkloster in Wittenberg — Fundumstände und Befundbeschreibung
Einführung
Zu den Funden aus der Wittenberger »Alchemistenwerkstatt«
Fensterglas, gläsernes Laborgerät, Trinkgläser und Keramik
• Fensterglas
• Stangengläser
• Farblose Hohlgläser
• Unglasierte und bleiglasierte oxidierend gebrannte Gebrauchskeramik
• Malhornware, Fayence
• Steinzeug
• Ofenkeramik
• Gusstiegel
• Grünliche und farbige Hohlgläser aus Labor und Haushalt
• Laborgefäße aus Glas
Stangengläser und andere Trinkglasformen des 16./17. Jahrhunderts
Zur Wertigkeit von Stangengläsern und anderen Gläsern
• Herzogtümer Braunschweig-Lüneburg und Landgrafschaft Hessen
Zum Wandel von Trinksitten und Geselligkeit in der Renaissance
Kulturwandel und Technologietransfer: Glas und Glasmacher in Nord- und Nordosteuropa
Frühe (Wald-)Glashütten im Ostseeraum (Dänemark, Schweden, Finnland, Baltikum)
Innovationen und großräumige Mobilität in der Kunst des Glasmachens (und der Alchemie)
Johann Kunckel:
Hessische Glasmachersippen als Vermittler neuartiger technologischer Kenntnisse und Betriebsformen: Engelhard Becker genannt Gundelach, die Lipperts, Hans Wentzel und die frühe skandinavisch-baltische Glasproduktion
Mehrkantstangengläser der Renaissance — eine Leitform der Trinkgläser des 16./17. Jahrhunderts
Herstellungs- und Verbreitungsgebiete von Mehrkantstangengläsern in Mitteleuropa
• Mittel- und Norddeutschland
• Der deutschsprachige Westen und Süden, Ostfrankreich
• Die Niederlande
• Schriftzeugnisse zur Glasproduktion und zum Glashandel aus dem Rhein-Main-Gebiet
• Frankfurt als Umschlagplatz für Glas und die Organisation des Vertriebs
Glashüttenregionen
• Frühe Glashütten an der Mittelelbe
• Brandenburg
• Weser-Werra-Bergland
• Hils, Vogler
• Solling
• Reinhardswald
• Bramwald
• Kaufunger Wald
• Ostwestfalen-Lippe und Mittelweserraum
• Harzraum
• Eichsfeld, Südharz
Achtkantstangen und andere Trinkgläser des 16./17. Jahrhunderts aus Bodenfunden im Verbrauchermilieu
• Ausgewählte Orte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
• Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordwestniedersachsen, Ostfriesland, Bremen
• Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordpolen
• Sachsen-Anhalt: Mansfeld, Wittenberg und andere Verbraucherorte
• Sachsen
• Thüringen
• Die Niederlande, Belgien und Luxemburg
Stangengläser in Schriftzeugnissen, musealen und privaten Sammlungen
Bildliche Darstellungen von Mehrkantstangengläsern des 16./17. Jahrhunderts
Alchemie und Laborgeräte, Arzneien und Apotheken, Destillation, Probierkunst, Goldmacher, die Suche nach dem Lebenselixier oder dem Stein der Weisen
Destillationsgerät und Metallurgie der Zeit um 1250—1300 in Basel
Eine frühe Handschrift aus Cambridge und der Fund des 14. Jahrhunderts vom Pariser Louvre
Weitere schriftliche und archäologische Zeugnisse und Erkenntnisse zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alchemie und Destillation
Ausgewählte Schriftzeugnisse zu Laboratorien
Ausgewählte Texte und Bildzeugnisse zum Gebrauch von Laborgerät
Bildliche Darstellungen zur Alchemie und zur Destillation
• Der Petrarcameister, das »Narrenschiff« des Sebastian Brant und ein Hausbuch von 1530
• Der Alchemist nach Pieter Breughel dem Älteren und seine Nachfolge
• Fürstliche Förderung der Künste und des Wissens in Italien – Die Uffizien und das Casino di San Marco der Medici in Florenz in Bildern und Texten
• David Teniers der Jüngere, die Kunst des Destillierens bzw. der Alchemie und die populären niederländischen Genremaler des 17. Jahrhunderts
• Eine Glashüttenrechnung für den Hof der Landgrafen von Hessen in Kassel von 1628
Einkäufe für die Höfe der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, die Landgrafen von Hessen, der Wettiner sowie andere Apotheken und Labore im 16./17. Jahrhundert
• Zur Laborausstattung des Grafen Wolfgang II. von Hohenlohe in Weikersheim um 1600
• Funde aus dem renaissancezeitlichen Alchemistenlabor in Oberstockstall unweit von Wien
• Funde aus einer Kölner Alchemistenwerkstatt des 16. Jahrhunderts
• Funde aus Johann Kunckels Labor auf der Pfaueninsel in Berlin (1685—1688)
• Bodenfunde aus Apotheken des 16./17. Jahrhunderts im historischen Kontext
Zur Alchemie der frühen Neuzeit in Mitteldeutschland
• Alchemie, Probierkunst und Destillation im Umkreis von Kurfürst August von Sachsen und Anna von Dänemark
• Weitere Belege zur Alchemie des 16./17. Jahrhunderts in Mitteldeutschland
Zur kultur- und wissenschaftshistorischen Einordung des Wittenberger Alchemie-Fundkomplexes
• Zur Frage der Herkunft des Wittenberger Laborinventars aus Glas
Ausblick
Danksagung
Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweis
Andreas Kronz und Hans-Georg Stephan:
Naturwissenschaftliche Untersuchungen an Gläsern aus der »Wittenberger Alchemistengrube«
Detlef Wilke:
Zerstörungsfreie Röntgenfluoreszenzanalyse von Wittenberger Laboratoriumskeramik
Zusammenfassung
Typo-chronologische Übersichten