Bei keinem anderen Wettiner klaffen historische Bedeutung und öffentliche Wahrnehmung so weit auseinander wie bei Markgraf Wilhelm dem Einäugigen. Auf dem Dresdner Fürstenzug fehlt er ebenso wie in der wettinischen Ahnengalerie der Meißner Albrechtsburg. Als spätmittelalterlicher Fürst hat freilich gerade dieser Wilhelm der Einäugige Land und Herrschaft ganz außerordentlich und nachhaltig gestaltet. Auf dem Fundament seiner Regierung fußte der folgende Aufstieg der Dynastie zum mächtigsten deutschen Fürstenhaus im 15. Jahrhundert. Diese herrschaftlichen Erfolge Markgraf Wilhelms scheinen vom Gang der Geschichte weithin verdeckt und verweht. Sichtbareren Bestand hatten dagegen einige der baulichen Zeugnisse, in denen Wilhelm seine Macht in Stein goss. Die Burgen in Rochlitz und Leisnig, der Dom zu Meißen und andere Bauwerke zeugen noch heute von seinem Wirken und künden in ihrer Größe und Pracht von der erfolgreichen Herrschaft eines der bedeutendsten Wettiner überhaupt – Markgraf Wilhelms I. von Meißen.
So lag es für den Verein für sächsische Landesgeschichte im 700. Todesjahr Markgraf Wilhelms nahe, mit einer wissenschaftlichen Tagung an diesen sonst wenig populären Wettiner zu erinnern. Ganz zu Recht steht er hier in einer Reihe mit Herzog Albrecht dem Beherzten, Kurfürst Moritz, August dem Starken und König Johann – vier Wettinern, denen bisherige wissenschaftliche Großveranstaltungen des Vereins galten. Und wie dort richtete sich der Blick auch hier über die historische Person hinaus, galt die Aufmerksamkeit ebenso dem historischen Umfeld, den strukturellen Entwicklungen im Lande und dem Nachleben, kamen neben der engeren Geschichtswissenschaft auch Kunstgeschichte und Bauforschung zu Wort. Auf diese Weise rundet sich das dargebotene Bild zum Zeitpanorama und bietet im besten Sinne umfassende und interdisziplinäre Landesgeschichte.
Im Ergebnis liegt nun ein Sammelband vor, der die aktuellen Forschungen bündelt und nicht zuletzt in hervorragender verlegerischer Qualität präsentiert. Solcherart ist sich der Vorstand des Vereins für sächsische Landesgeschichte gewiss, dass dieses Buch breite Aufnahme finden und die weitere Forschung befruchten wird.
Inhaltsverzeichnis:
Andre Thieme:
• Markgraf Wilhelm I. der Einäugige – Zum Nachleben eines »vergessenen Markgrafen«
Michael Lindner:
• Markgraf Wilhelm I. von Meißen im Reich »Der marcgraffin von Missin schulmeister unde ir aller anwiser, der dy herschafft zcu Missin sere beßirte«
Uwe Tresp:
• Markgraf Wilhelm I. von Meißen und Böhmen – Die »Belagerung« von Prag (1401)
Enno Bünz:
• Markgraf Wilhelm I. von Meißen und die Kirche
Ulrich Thiel:
• Wassernot und Strukturwandel – Zum Montanwesen im Erzgebirge und seinem Vorland in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
Eckhart Leisering:
• Markgraf Wilhelm als Landesherr – Herrschaftsmethoden vor und nach der Erlangung der alleinigen Herrschaft in der Markgrafschaft Meißen im Jahr 1382
Reinhardt Butz:
• Hof und Hofhaltung der Wettiner zur Zeit – Markgraf Wilhelms I. von Meißen
Harald Winkel:
• Seelenheilvorsorge und Repräsentation – Dynastische Konzeptionen von Grablege und Memoria der Wettiner im Mittelalter
Heinrich Magirius:
• Sakrale Baukunst zur Zeit des Markgrafen Wilhelm und ihre Bedeutung für die Entwicklung der obersächsischen Spätgotik
Günter Donath:
• Markgraf Wilhelm I. und der Meißner Dom als wettinisches Machtsymbol
Jiri Fajt:
• Kampf um den Dom – Markgraf Wilhelm, die Meißner Bischofskirche und der lange Schatten Kaiser Karls IV.
Matthias Donath:
• Schlösser als Herrschaftszeichen – Die Schlossbauten Wilhelms I. von Meißen
Jens Kunze:
• Umfang und Verfassung des Amtes Leisnig
Stefan Reuther:
• Schloss Rochlitz in der Zeit von Markgraf Wilhelm I. – Ein Überblick zum Baubestand
Ingolf Gräßler und Thomas Schmidt:
• Die Bautätigkeit in der Zeit Markgraf Wilhelms I. auf der Burg Mildenstein/Leisnig – Ergebnisse der restauratorischen und bauhistorischen Untersuchungen
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