Den hochmittelalterlichen Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa (ca. 1122–1190) mit den Vorgängen der Reformation in Verbindung zu bringen, scheint auf den ersten Blick ein schwieriges Unterfangen und auch chronologisch unmöglich. Barbarossa ist Luther sowie anderen Reformatoren naturgemäß nie persönlich begegnet, und die Fähigkeit und Bereitschaft des Stauferkaisers zu reformtheologischen Reflexionen und Positionierungen darf man – auch für das 12. Jahrhundert – ebenfalls als eher begrenzt bezeichnen. Und doch werden in diversen Streitschriften aus dem Umfeld der Reformation die Zeit, die Persönlichkeit und bestimmte Handlungen Kaiser Friedrich I. Barbarossas erstaunlich intensiv thematisiert und in Beziehung gesetzt zu den aktuellen Auseinandersetzungen der Reformatoren mit Rom und dem Papst. Die langwierigen Differenzen des Stauferkaisers mit Papst Alexander III., die in der Zeit von 1159 bis zum Frieden von Venedig 1177 zu einem Papstschisma mit insgesamt drei vom Kaiser protegierten Gegenpäpsten geführt hatten, bildeten auch im 16. Jahrhundert für die Zeitgenossen der Reformation eine Vergleichsfolie und einen Resonanzboden, auf dem sich das grundsätzliche Verhältnis der Deutschen bzw. der deutschen Kirche zur Spitze und Zentrale der katholischen Christenheit in Rom in wenngleich ahistorischer Perspektive auch als Instrument einer kirchenpolitischen Polemik und Propaganda nutzen ließ.
Beispiele derartiger ahistorischer Instrumentalisierungen tatsächlicher oder legendärer Einzelereignisse aus dem Leben Kaiser Friedrich I. Barbarossas sind etliche vorhanden. Grundsätzlich stellt sich hierbei immer die Frage nach der Intention und der Motivation, mit der die Protagonisten diese mehr oder weniger historischen Kontextualisierungen des Stauferkaisers in den Auseinandersetzungen der Reformation inszenierten und welches Publikum damit erreicht werden sollte und konnte.
Für die Reformation wird die Zeit und die Person Kaiser Friedrich I. Barbarossas somit zu einem spannenden und bislang nicht hinreichend bearbeiteten Thema der Rezeptionsgeschichte, welches die Barbarossa-Stiftung im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 mit einer eigenen Tagung in verschiedenen Facetten vorgestellt hat, die vom 16. Jahrhundert bis in die Zeit des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert reichen, der nicht zuletzt diese Barbarossabilder der Reformation unter neuen politischen Rahmenbedingungen wieder aufgegriffen und neu inszeniert hat. Zudem verwies ein Referat auf die Rezeption Barbarossas im heutigen Stadtmarketing und ein weiteres auf das Bild, das wir uns heute vom Mittelalter machen, sowie dessen Nicht-Deckungsgleichheit mit dem realen historischen Mittelalter. Der vorliegende Band 2 der Schriftenreihe der Barbarossa-Stiftung versammelt einige der Beiträge des im Teehauskomplex des Altenburger Residenzschlosses abgehaltenen Symposiums.
Inhaltsverzeichnis:
Klaus-Jürgen Kamprad:
• Vorwort
Isabelle Luhmann:
• Geschichte als Label: Staufer- und Barbarossastädte und ihr Umgang mit dem staufischen Erbe in der jüngsten Geschichtskultur
Thomas Martin Buck:
• Bilder vom Mittelalter. Zu Formen und Funktionen der modernen Mittelalterrezeption
Silvia Pfister:
• Rotbart und der Steuermann. Der Blick Georg Spalatins auf Kaiser Friedrich I.
Knut Görich:
• Ereignis und Rezeption: Friedrich Barbarossa demütigt sich vor Papst Alexander III. in Venedig 1177
Roland Deigendesch:
• Der Kaiser als Zeuge. Der Tod Barbarossas in Johannes Schradins Flugschrift „Warhaffte vnnd gegrundte meldung […]“ von 1546