Mit der vorliegenden Publikation wird der Reihe »Beiträge zur Denkmalkunde« des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ein weiterer Band hinzugefügt, in dem Prof. Dr. Dieter Dolgner (Halle) nach fünf jähriger intensiver Forschungsarbeit Entwicklung, Bestand und Bedeutung der Baugattung Gerichtsgebäude in einem ersten Überblick vorstellt.
Von wenigen Ausnahmen und punktuellen Ergebnissen abgesehen befand sich dieses architektonische Erbe aus verschiedenen Gründen bisher weder im Blick der Fachwelt noch einer breiteren Öffentlichkeit. Nunmehr wird eine Gesamtschau des überkommenen Bestandes in Sachsen-Anhalt vorgelegt, die als Grundlage und Anregung für weitere Untersuchungen dienen soll. Mit ihr steht zudem den Denkmalpflegern und Restauratoren baukundliches Material zur Verfügung, und historisch interessierte Leser erhalten ein breitgefächertes Nachschlagewerk. Die Forschungsergebnisse können das Interesse an den präsentierten Baudenkmalen wecken, das Verständnis für deren Wert vertiefen und wichtige Impulse für deren Erhalt und Pflege geben.
Das Land Sachsen-Anhalt verfügt über einen großen Reichtum an historischen Gerichtsorten und Gerichtsgebäuden, in denen sich die jeweiligen Justizverhältnisse spiegeln. In der Vergangenheit verband sich die Rechtspraxis häufig in einer Funktionsmischung mit Burgen und Schlössern, Amts- und Kanzleigebäuden sowie Rathäusern. Wenige Ausnahmen der separierten Rechtspflege bildeten in größeren Städten die Schöffenstühle und die Rügegerichtshütte in der Wüstung Volkmannrode.
Als eigenständige Gebäudekategorie trat der Gerichtsbau – wie anderenorts auch – erst seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Erscheinung. In Abhängigkeit von der Justizstruktur und Gerichtsverfassung wurden mit dem Inquisitoriat und Assisensaal frühzeitig konkrete Bau- und Raumtypen entwickelt. Die Stadt Halle übernahm in diesem Prozess eine Pilotfunktion.
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Vorbemerkung
Einführung
GERICHTSGEBÄUDE IN DEUTSCHLAND. EINE REPRÄSENTATIVE BAUGATTUNG
• Bis zum 18. Jahrhundert. Gerichtslaube und Kammergericht
• Im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Vom Gerichts-„local“ zum Justizpalast
• Das 20. Jahrhundert. Justizarchitektur zwischen Tradition und Moderne
DAS LAND SACHSEN-ANHALT. TERRITORIALE EINGRENZUNG DES THEMAS
919-1814: VON DEN SÄCHSISCHEN KÖNIGEN UND KAISERN BIS ZUM WIENER KONGRESS
• Gerichtswesen und Rechtspflege
• Baulich-räumliche Voraussetzungen
• Unterbringung in Pfalzen, Burgen und Schlössern, in Türmen und Toren
• Mitnutzung von Regierungs-, Kanzlei- und Amtsgebäuden
• Die Rathäuser mit ihren Gerichtslauben, Gerichtsstuben und Gefängniszellen
• Die Rechtspflege in Gasthöfen, Gutshäusern, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden
• Gerichtsbauten, Schöffenhäuser und die Rügegerichtshütte in der Wüstung Volkmannrode
1815-1848: VON DER GRÜNDUNG DER PREUSSISCHEN PROVINZ SACHSEN BIS ZUR MÄRZREVOLUTION
• Justizverhältnisse und Gerichtsverfassung zwischen Konvention und Innovation
• Organisation des preußischen Justizbauwesens
• Nutzung vorhandener Bauten und Räume
• Anfänge des Gerichtsbaus als einer eigenständigen Gebäudekategorie: Erweiterungen und Neubauten
• Inquisitoriatsbauten
1849-1877: VON DEN PREUSSISCHEN JUSTIZVERORDNUNGEN BIS ZUR VERKÜNDUNG DES GERICHTSVERFASSUNGSGESETZES
• Gesetzgebung und Strukturreform
• Veränderungen in der preußischen Bauverwaltung
• Akquirierung weiterer Gebäude und Räume für Gerichtszwecke
• Neue Anforderungen an den Gerichtsbau
• Frühe Gerichtsbauten in Sachsen-Anhalt
• Erste Ergebnisse
1879-1918: VOM INKRAFTTRETEN DES GERICHTSVERFASSUNGS;ESETZES BIS ZUM ENDE DES ERSTEN WELTKRIEGES
• Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877/79 und die Rechtseinheit im Deutschen Reich
• Die Abteilung für das Bauwesen im Ministerium der öffentlichen Arbeiten
• Anforderungen an die Architektur und deren programmatische Lösung
• Sekundärnutzung zweckfremder Bauten
• Erweiterung von Justizstandorten
• Gerichtsneubauten 1878-1890
• Gerichtsneubauten 1891-1900
• Gerichtsneubauten 1900-1917
GERICHTSGEBÄUDE – EINE BAUGATTUNG IM SPANNUNGFELD ZWISCHEN FUNKTION UND REPRÄSENTATION
1919-201O: AUSBLICK AUF WENIG ERGIEBIGE ZEITEN
ANHANG
• Anmerkungen
• Archivalien
• Literatur
• Personenregister
• Ortsregister
• Abbildungsnachweis