Bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts spielten Kreisgräben für die kulturgeschichtliche Beurteilung der späten bandkeramischen Kulturen Mitteleuropas kaum eine Rolle. Erst mit dem Einsetzen systematischer Luftbildarchäologie wurde die Fachwelt auf eine bis dahin kaum bekannte und wenig beachtete Befundgattung aufmerksam. Erste wichtige Erkenntnisse über Struktur, Bedeutung und Funktion dieser Anlagen konnten dann durch Prospektionen, Notgrabungen und gezielte Sondagegrabungen in Süddeutschland in den achtziger Jahren erreicht werden (s. Jörg Petrasch in diesem Band). Im Anschluss waren es besonders die österreichischen Kollegen, die in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit innovativen Methoden und einer systematischen Vorgehensweise einen erheblichen Erkenntnisgewinn erzielen konnten. Gleichzeitig vergrößerte sich das Verbreitungsbild dieser für die erste Hälfte des 5. Jahrtausends so wichtigen Befundgattung. Die veränderte politische Situation machte erstmals Luftbildprospektionen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks möglich. Neben den bis dahin bekannten Verbreitungsprovinzen in Süddeutschland und Niederösterreich kamen so weitere in Mitteldeutschland. Polen, Böhmen, Mähren, der Slowakei und Ungarn hinzu. Dabei wurden immer mehr strukturelle Ähnlichkeiten mit den wesentlich jüngeren und auf differierenden kulturellen Traditionen fußenden Hengemonumenten (s. Timothy Taylor in diesem Band) auf den britischen Inseln konstatiert.
Vor dem Hintergrund der als Lehrgrabung 2002 begonnenen und seit 2003 zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) durchgeführten Forschungsgrabung an der stichbandkeramischen Kreisgrabenanlage in Goseck war es unser Wunsch, die von uns im Gelände erzielten Ergebnisse auf breiter Ebene mit den Fachkollegen zu diskutieren. Aus diesem Grund fand vom 7. bis zum 9. Mai 2004 im Schloss Goseck ein vom damaligen Institut für Prähistorische Archäologie (jetzt Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas – IKArE) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit Unterstützung des LDA organisiertes internationales Arbeitstreffen zum Thema »Neolithische Kreisgrabenanlagen in Europa« statt.
(Auszug aus dem Vorwort)
Inhalt:
Vorwort
Francois Bertemes und Andreas Northe
• Goseck – Die »erste« Kreisgrabenanlage in Sachsen-Anhalt
Jörg Petrasch
• Die mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen in Zentraleuropa. Forschungsstand und Interpretationstheorien zu Funktion und Bedeutung
Ivan Pavlu
• Artefakte und die Funktion von Kreisgrabenanlagen
Ralf Schwarz
• Kreisgrabenanlagen der Stichbandkeramik in Sachsen-Anhalt
Andreas Northe
• Quedlinburg – Zwei Kreisgrabenanlagen im Nordharzvorland
Dieter Kaufmann und Rosemarie Leineweber
• Die spätstichbandkeramische Palisadenringanlage von Quenstedt- archäologischer Befund und Nachbau
Sandra Sosnowski
• Neue Erkenntnisse zu Aufbau und Rekonstruktion der Kreispalisadenanlage auf der »Schalkenburg« bei Quenstedt, Lkr. Mansfeld-Südharz
Harald Stäuble
• Stichbandkeramische Kreisgrabenanlagen aus Sachsen – Neues zu einem alten Thema?
Norma Literski
• Eine mögliche mittelneolithische Kreisgrabenanlage aus Piskowitz, Lkr. Meißen- Anmerkungen und Argumente
Michael Meyer
• Die Nordperipherie – mittelneolithische Kreisgrabenanlagen in Brandenburg
Wolfram Schier
• Die Kreisgrabenanlage von Ippesheim, Lkr. Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken. Ergebnisse der Grabungen 1998-2004
Gerhard Trnka
• Die Erforschung der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Kamegg im nördlichen Niederösterreich
Jaroslav Ridky and David Danecek (with contributions of Zbynek Sedlacek, Lubor Smejtek, Michal Kostka and Roman Krivanek)
• New Neolithic Rondels in Bohemia
Ivan Kuzma und Jan Tirpak
• Kreisgrabenanlagen in der Slowakei
Pal Raczky and Alexandra Anders
• Neolithic enclosures in Eastern Hungary and their survival into the Copper Age
Zbigniew Kobylinski, Louis D. Nebelsick and Dariusz Wach
• Aerial photography, a complex non-destructive survey and test excavation of the first Neolithic rondel-type enclosure in Poland
Hanna Kowalewska-Marszalek
• Neolithic fortified sites and settlement patterns on the Sandomierz Loess Upland
Alex Gibson
• Palisade Enclosures and Timber Circles in Britain and Ireland
Timothy Taylor
• Concentric ambiguities: a theoretical approach to Neolithic Kreisgrabenanlagen and the social implications of polythetic variance
Andre Spatzier
• Nach Bandkeramik und Lengyel- Kreisgrabenanlagen in Sachsen-Anhalt und Mitteleuropa vom Jungneolithikum bis zur frühen Bronzezeit
Wolfhard Schlosser
• Astronomische Untersuchungen der Kreisgrabenanlage von Goseck
Mechthild Meinike
• Astronomische Betrachtungen zum fünfgliedrigen Palisadenringsystem »Schalkenburg« von Quenstedt, Lkr. Mansfeld-Südharz
Georg Zotti
• Versuch einer astronomischen Interpretation ausgezeichneter Richtungen der Kreisgrabenanlagen Niederösterreichs
Norma Literski und Louis D. Nebelsick
• Katalog der Kreisgrabenanlagen und verwandten TeIls der ersten Hälfte des S. Jt. v. Chr. in Mittel- und Südosteuropa