Die landwirtschaftliche Bodenreform im Jahr 1945 setzte der Existenz der Rittergüter im Osten Deutschlands ein jähes Ende. Mit der Enteignung aller landwirtschaftlichen Großbetriebe und somit auch der Rittergüter in der damaligen sowjetischen Besatzungszone verschwand eine jahrhundertealte Institution, welche das dörfliche Leben entscheidend geprägt hat.
Zu diesem Zeitpunkt jedoch war das Rittergut bereits ein reiner Wirtschaftsbetrieb, dem nur der Name von jenen im Spätfeudalismus entstandenen Herrschaftssitzen geblieben war. Die Periode des Verfalls der feudalen Strukturen setzte rund einhundert Jahre früher, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein. Bis dahin bildete das Rittergut unter weitgehend intakten feudalen Verhältnissen das wirtschaftliche, politische und Verwaltungszentrum des Dorfes.
Das 19. Jahrhundert bedingte mit weitreichenden Reformen und zunehmender Industrialisierung und Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion eine völlige Neuorientierung der Rittergüter. Einer gewissen Konsolidierungsphase unter kapitalistischen Bedingungen folgte schließlich die Auflösung der Rittergutswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg.
Ihre Spuren jedoch — Flurnamen, dörfliche Strukturen (zum Beispiel Ansiedlung von Tagelöhnerhäusern, die der Grundherr gefördert hat), herrschaftliche Gebäude, Schlösser — sind auch heute noch allerorts zu finden und geben ein beredtes Zeugnis vergangener Verhältnisse.
Zustand und Nutzung der Gebäude reichen dabei von fast ursprünglich erhaltenen Komplexen mit geschichtsvermittelnder Funktion (ehemaliges Rittergut und jetziges Agrar- und Freilichtmuseum Blankenhain) über Erhalt und Einbindung einzelner Gebäude für wirtschaftliche oder soziale Zwecke (Nutzung des Herrenhauses des ehemaligen Rittergutes Trünzig als Altersheim) bis hin zum völligen Verfall (Ruine des ehemaligen Rittergutes Schloß Berga).
Ausgehend von diesen Überlegungen entstand im Auftrag des Agrar- und Freilichtmuseums Blankenhain und in enger Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung die vorliegende Arbeit.
Blankenhain versteht sich nicht allein als Landwirtschaftsmuseum, sondern gleichzeitig als Technik-, Geschichts- und Volkskundemuseum und somit im weitesten Sinn als Kulturhistorisches Museum. Zugleich sieht sich Blankenhain, was den räumlichen Bereich der Forschungs- und Sammlungsarbeit betrifft, überwiegend als Regionalmuseum, aber — durch die Grenzlage des Ortes bedingt — als ein länderübergreifendes Regionalmuseum, neben Westsachsen auch die thüringischen Gebiete um Altenburg, Gera und Greiz umfassend. Diesem Aspekt des Museums entsprechend, erstreckt sich die Arbeit nicht nur auf sächsische, sondern, durch Einbeziehung von Berga, auch auf ein in Thüringen, bis 1918 im Großherzogtum Sachsen—Weimar—Eisenach, liegendes Rittergut.
Da der Umfang der Arbeit begrenzt ist, wurden aus der Geschichte der Rittergüter einzelne Schwerpunkte ausgewählt und bearbeitet.
Inhaltsverzeichnis:
Zum Geleit
Vorwort
Einleitung
• Kurze Charakteristik der ländlichen Verhältnisse im Gebiet zwischen Elster und oberer Pleiße
• Die Rittergüter Blankenhain, Schloß Berga und Trünzig im geschichtlichen Überblick
• Territoriale Zugehörigkeit der Rittergüter
• Rittergut Blankenhain
• Rittergut Schloß Berga
• Rittergut Trünzig
Zum Begriff des Rittergutes
Lehns- und landesherrliche Beziehungen des Rittergutes bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
Das Rittergut als lokales politisches und wirtschaftliches Zentrum am Anfang des 19. Jahrhunderts
• Rechte und Privilegien
• Frondienst
• Erbzins
• Lehn- und Siegelgeld
• Trift und Hutung
• Jagd und Fischerei
• Bannrecht und Konzessionserteilung
• Wach- und Baudienst
• Gesindezwang
• Patrimonialgerichtsbarkeit
• Patronat über Kirche und Schule
• Das Rittergut als Eigenbetrieb
• Formen der Rittergutswirtschaft
• Verpachtung des Rittergutes
• Gesinde- und Tagelohnarbeit auf dem Rittergut
• Bauliche Erscheinung der Rittergutswirtschaft
Die Auflösung der feudalen Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse im Verlauf des 19. Jahrhunderts
• Gesetzliche Grundlagen und allmähliche Ablösung der grundherrlichen Rechte und Abgaben
• Reformdruck am Anfang des Jahrhunderts
• Die Agrarreformen
• Die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit
• Die neue Stellung des Rittergutes zum Staat
• Das Verhältnis des Rittergutes zur ländlichen Bevölkerung
Das Rittergut im 20. Jahrhundert — ein Ausblick
Zusammenfassung
Quellen- und Literaturangaben
Anhang
• Anhang I: Erklärung der in der Arbeit auftauchenden Maße und Münzen
• Anhang II: Lehnschein, ausgestellt in Trünzig im Jahr 1814
• Anhang III: Nutzungsanschlag des Rittergutes Blankenhain aus dem Jahr 1812
• Anhang IV: Bildteil