Das spätantike Faltkapitell ist zuerst, vielleicht noch in vorjustinianischer Zeit für ein unbekanntes profanes oder sakrales Bauwerk Konstantinopels entworfen worden, dessen Architektur die eigenwillig anmutende Gestalt dieser Neuerung begründet haben könnte: In dem ersten erhaltenen Bauwerk Kaiser Justinians I. (reg. 527-565), der Sergios- und Bakchoskirche, findet es seine frühesten datierten und in ihrer Einzigartigkeit berühmtesten Belege. Faltkapitelle und andere aus einer standardisierten Produktion herausragende Erzeugnisse konstantinopler Steinmetzwerkstätten fanden zudem als prunkende und an hauptstädtische Modernität anschließende Ausstattungsstücke von Bauten im gesamten Mittel- und Schwarzmeerraum eine vergleichsweise weite geographische, quantitativ weniger überraschende wie eher kurzfristige Verbreitung. In ihrem Habitus sind sie vor allem in Ägypten, dann wohl erst wieder in byzantinischer Zeit nachgeahmt worden und waren auch im mittelalterlichen Westen offenbar nicht unbekannt. Ornamentgeschichtlich blieb das Faltkapitell neben anderen Kapitelltypen eine Episode, während sich das blockhaftere und in dekorativer Hinsicht ungebundenere Kämpferkapitell durchsetzte. Faltkapitelle werden hier zum Gegenstand einer Studie gemacht, die aus einer insbesondere in der deutschsprachigen Forschung fest eingewurzelten entwicklungsgeschichtlichen, normativ arbeitenden Betrachtungsweise der „künstlerischen“ Überlieferung heraus einen Neuansatz begründet, der sich für das historische Subjekt interessiert, Bauskulpturen als handwerkliche Produkte und als Bestandteil von Bauentwürfen auffasst. Vorbilder des Faltkapitells und des an ihm vorherrschenden Dekors aus beblätterten Kreisschlingen lassen sich in der Tradition des antiken Bauornaments verorten, so dass keine Anregungen seitens eines „fremden Kulturkreises“ angenommen werden müssen. Diese für die Erörterung von Neuerungen wichtige These, die mit der Entdeckung der zwischen 524 und 527 errichteten Polyeuktoskirche in Istanbul neuen Auftrieb erhalten hat, wird in einer früheren Arbeit des Verf. diskutiert, die der Studie als Anhang beigegeben ist.
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Zur Entstehung des Faltkapitells
• Einleitende Bemerkungen
• Forschungsgeschichtliche Notizen
• Weitere Überlegungen zu einer Definition des Faltkapitells
Die Überlieferung des Kapitelltyps ‚Faltkapitell‘, Versuch einer Systematik
• Beschreibender Katalog konstantinopier Faltkapitelle, ihrer Kopien und weiterer Nachahmungen, Elemente zu einer Klassifizierung des konstantinopler Bestandes
• Einleitende Bemerkungen
• Die Grundform der Faltkapitelle
• Konstantinopler Faltkapitelle mit beblätterten Kreisschlingen in Istanbul
• Die Faltkapitelle der Sergios- und Bakchoskirche mit tangartigem Akanthus
• Faltkapitelle in Istanbul mit palmettenartigen oder akanthisierten Schlingenblättern
• Konstantinopler Faltkapitelle mit beblätterten Kreisschlingen außerhalb Istanbuls, Kopien und weitere Nachahmungen
• Faltkapitelle mit palmettenartigen oder akanthisierten Schlingenblättern unter Berücksichtigung des Befundes der Istanbuler Faltkapitelle
• Faltkapitelle mit einem Blattkranz aus vier Blattpaaren in und außerhalb Istanbuls
• Weitere spätantike Nachahmungen konstantinopler Faltkapitelle, byzantinische mittelalterliche und spätere Faltkapitelle
• Ein syrisches Faltkapitell in Burqus (Hermongebirge)
• Ägyptische Falt- und Kesselkapitelle
• Byzantinische mittelalterliche und spätere Faltkapitelle
• Zusammenfassende Betrachtungen zum Bestand des Faltkapitells, Beobachtungen zur Herstellung und Überlegungen zur Verwendung des Faltkapitells
• Bestand und Verbreitung, Chronologie der spätantiken Faltkapitelle und ihrer Nachahmungen
• Zur Herstellung spätantiker Faltkapitelle, Rohlinge und unverzierte Kapitelle in Didyma und Balat
• Zur Verwendung spätantiker Faltkapitelle
• Versuch einer Klassifizierung der konstantinopler Faltkapitelle
Form und Dekor der spätantiken konstantinopler Faltkapitelle. Untersuchungen zu ihrem Umfeld
• Einleitende Bemerkungen
• Beblättertes Schlingenornament an anderen Kapitellen
• Zur Rezeption des Faltkapitells mit beblätterten Kreisschlingen: Zweizonige Kapitelle der Alâeddin-Moschee in Bursa
• Bauglieder mit Kreisschlingen und horizontal angeordneten Blättern
• Die Nebenseiten der Kesselkapitelle der H. Sophia
• Weitere Kapitelle mit Varianten der Kreisschlingen oder Doppelranken mit horizontal angeordneten Schlingen- bzw. Rankenblättern
• Ein Kapitell vom Templon aus S. Vitale in Ravenna
• Aspekte der Gesamtform des Faltkapitells
• Seitenmittenbetonung an Varianten des korinthischen und des Zweizonenkapitells, das Verhältnis des Kapitellkörpers zum Abakusknauf, dekorative Wechselfelder, Motivkapitelle
• Zweizonenkapitelle. Kämpfer und ionische Kämpferkapitelle mit â jour gearbeiteten Ornamentbuckeln in den Seitenmitten
• Ionische Kämpferkapitelle der Apsisfenster der Basilika C von Nea Anchialos
• Ein Zweitypenkapitell aus Daphne-Harbie
• Kapitelle mit buckelartigen Hervorwölbungen des Kapitellkörpers: Kapitelle mit einem Geflecht aus Ölblattzweigen
• Exkurs 2: Kämpferkapitelle mit Bandzickzack
• Exkurs 3: Verschiedene Gestaltungen und Fassungen dekorativer Themen und Dekortypen
• Zwei ionische Kämpferkapitelle mit ‚gefaltetem‘ Kämpfer in Istanbul
• Kapitelle mit winkligen Eckeinzügen an S. Marco in Venedig
• Zwei Kapitelle mit vertikalen Ornamentstreifen in Istanbul
• Aspekte der Ornamentik des Faltkapitells
• Das Dekorrepertoire der Deckplatten und Fußringe der Faltkapitelle im Vergleich
• Zur Deutung der ‚beblätterten Kreisschlingen‘
• Füllhornkapitelle
• Deutung der‘ beblätterten Kreisschlingen‘
• Formen der Doppelranke
• Weitere Aspekte der Deutung (I): Ranke und sog. Palmettenkandelaber
• Weitere Aspekte der Deutung (II): Ranke und Medaillon
• Kreisschlingen als geometrisches Ornament
• Exkurs 4: Ranken und Kreisschlingen auf spätantiken Bodenmosaiken
Zusammenfassung
Kataloge
Index
Abbildungsnachweis
Anhang:
Zur sasanidischen Ornamentik in der frühbyzantinischen Kunst. Sichtungen nach Motivrepertoire, historischem Umfeld und Vermittlungswegen unter besonderer Berücksichtigung der Polyeuktoskirche in Konstantinopel (Magisterarbeit, 1996)
Beilagen/Tafeln